MONUMENTA TIBETICA HISTORICA
Abt. I: SCRIPTORES (Hrsg. von Prof. Dr. Dieter Schuh)
Band 5: Karl-Heinz Everding: Der Gung Thang Dkar Chag. Die Geschichte der tibetischen Herrschergeschlechts von Tshal Gung Thang und der Tshal pa Bka´ brgyud pa-Schule, 2. Auflage, 2005, XXVIII, 290 Seiten, 60,– Euro
Mit dem Gung thang dkar chag, der „Geschichte und Beschreibung des Gung thang gTsug lag khang“, wird die derzeit bedeutendste Quelle zur Geschichte der Tshal pa bKa‘ brgyud pa-Schule und ihrer Förderer, der einst etwa 15 km östlich von Lhasa residierenden Tshal pa-Fürsten, in Edition und Übersetzung vorgelegt. Erschlossen wird damit erstmalig eine der bedeutendsten Quellen, die die Geschichte des Großraums Lhasa in der Zeit des 12. bis 18. Jahrhunderts nachvollziehbar werden läßt. Behandelt wird das Geschehen im Spiegel der Geschichte der Tshal pa bKa‘ brgyud pa-Schule, einer Schule des tibetischen Buddhismus, die die kulturgeschichtliche Entwicklung Tibets vom 12. Jahrhundert an nachhaltig geprägt hat, die aber von der Bildfläche des kulturellen Lebens verschwand, als ihre religiöse Stätten im 15. Jahrhundert mit dem Abstieg ihrer Förderer, der Fürsten von Tshal, von der aufstrebenden Gelbmützen-Schule absorbiert wurden.
Im Zentrum der 1782 von dem tibetischen Lama ‚Jog ri ba Ngag dbang bstan ‚dzin ‚phrin las (1748-nach 1804) verfaßten Chronik steht die Gründung und Geschichte sowie die Beschreibung der Architektur und der Heiltumsobjekte des Gung thang gTsug lag khang. Gegründet wurde dieser tibetisch-buddhistische Tempel 1187 von Bla ma Zhang (1123-1193), der vielleicht charismatischsten Persönlichkeit des Tibet seiner Zeit. Ausführliche Darstellung erfahren weiter die Ausbreitung der Tshal pa bKa‘ brgyud pa-Schule, die Geschichte von Yang dgon (1175), das das Gründungskloster der Schule bildete, sowie die Geschichte des Fürstenhauses Tshal, das in der Zeit des 13. bis 14. Jahrhunderts zu den machtvollsten Herrschergeschlechtern Tibets zählte und die „Zehntausendschaft Tshal“ (T tshal pa khri skor), eine der berühmten „Dreizehn Zehntausendschaften“ (T khri skor bcu gsum) Tibets, beherrschte. Angesichts des Mangels an dokumentarischen und historiographischen Quellen, die sich mit diesem bedeutenden Kapitel der tibetischen Geschichte befassen, liegt der Wert dieser lange Zeit verschollenen Chronik vor allem darin, wichtige Aspekte der historischen und kulturgeschichtlichen Entwicklung einer der geschichtsträchtigsten Regionen Tibets zugänglich zu machen, die Beziehung zwischen den tibetischen Fürsten und den von ihnen geförderten religiösen Institutionen nachvollziehbar zu machen sowie unmittelbare Einblicke in die tibetische Geisteswelt zu vermitteln.